Irma Eckler

Irmas Mutter, Friederike Sophie Eckler geb. Horneburg war die Tochter der Eheleute Jean Horneburg und Johanna geb. Fliess aus Kiel. Sie waren Nachfahren sephardischer Juden, die im 15. Jahrhundert von der Iberischen Halbinsel auswandern mussten. Das Leben der sephardischen Juden war in allen Zeiten begleitet von Verfolgung, Terror und Tod:

Nach der Zerstörung des zweiten Tempels unter Kaiser Vespasian und der bald darauf folgenden endgültigen Vertreibung der Juden aus Palästina - nur wenige blieben - begann die zweitausendjährige ununterbrochene Geschichte des Exils, der Diaspora.

Während der spätrömischen Zeit siedelten palästinische Vertriebene auch in Spanien (Sepharad ist das hebräische Wort für die Iberische Halbinsel). Die Eroberung des Landes durch die Mauren im 8. Jh. schränkte ihre Entfaltung nicht ein, bewirkte stattdessen sogar, im Hochmittelalter, eine erstaunliche, nie wieder irgendwo erreichte kulturelle Gemeinsamkeit zwischen Muslimen, Christen und Juden. Diesen fruchtbaren Austausch im Geistesleben und in der Kunst beendete erst die spanische Eroberung (reconquista), im wesentlichen nach 1100. Zur Zeit des Columbus wurden die Juden vertrieben bzw. sie wanderten aus Spanien und Portugal aus, soweit sie sich der Zwangstaufe widersetzten.

Ein Zweig dieser sephardischen Juden siedelte in den Niederlanden, von wo etliche später nach Norddeutschland weiter wanderten.

Auch in Horneburg/Niedereibe, Bezirk Stade, (nahe Hamburg) gab es seit Anfang des 19. Jahrhunderts bis 1852 eine jüdische Gemeinde. Mehrere Nachbargemeinden bildeten eine Synagogengemeinschaft, die sich wegen Abwanderung ihrer Mitglieder bis Ende des 19. Jahrhunderts auflöste. Einige Familien blieben in Norddeutschland und schlossen sich größeren Gemeinden an, z. B. in Hamburg und Kiel.

Eine Besonderheit der sephardischen Juden war ihr Umgang mit Familiennamen und Glaubenszugehörigkeit.

Friederike Sophie Horneburg, am 2. 11. 1880 in Kiel geboren, heiratete am 24. 3. 1905 Arthur Eckler und zog zu ihm nach Hamburg. Auch in Hamburg gab es eine "Portugiesische" Gemeinde.

Die Brüder Alfred, Paul und Salomon Belmonte wurden während ihrer Haft im Konzentrationslager Hamburg-Fuhlsbüttel zu Tode gequält. Ihr Vater nahm sich vermutlich das Leben. Von den sieben Familienmitgliedern hat keiner überlebt.

Irma Eckler wurde am 12. Juni 1913 in Hamburg geboren. Sie hatte zwei über zehn Jahre ältere Schwestern, Herta und Lilly.

Geburtsurkunde für Irma Eckler, geboren am 12. Juni 1913

Nr. 1012

Hamburg, am 17. Juni 1913

Vor dem unterzeichneten Standesbeamten erschien heute, der Persönlichkeit nach durch Geburtsurkunde anerkannt, der Handlungsgehülfe Arthur Eckler, wohnhaft in Hamburg, Bornstraße 31, mosaischer Religion, und zeigte an, daß von der Friederike Sophie geborene Horneburg, seiner Ehefrau, mosaischer Religion, wohnhaft bei ihm, zu Hamburg in seiner Wohnung am zwölften Juni des Jahres tausend neunhundert dreizehn nachmittags um zehn Uhr ein Mädchen geboren worden sei und daß das Kind den Vornamen Irma erhalten habe. [...]

Randvermerke:

  • Hamburg, am 17. Januar 1939 Das unternbezeichnete Kind führt den zusätzlichen Vornamen "Sara". Der Standesbeamte In Vertretung 
  • Gemäß Verordnung des Zentral-Justizamts in Hamburg vom 16.2.1948 ist der vorstehende Vermerk vom 17. Januar 1939 ungültig. Hamburg, am 19. Oktober 1948. Der Standesbeamte: In Vertretung
  • für tot erklärt Amtsgericht Hbg.-Altona - 5 II 506/49 (T) v. 20.12.1949 verstorben mit Ablauf des 25.1.1950 Zeitpunkt des Todes 28.4.1942.240 verstorben: Sonder-Standesamt Arolsen, Kreis Waldeck, Nr. 230, Abt. I 1962  
Wahllos zusammengerufene Kinder in der Roonstraße (1915). Rechts am Straßenrand sitzend: Irma; hinter ihr, stehend: Lilly. Herta, das älteste und größte Mädchen, steht in der Mitte der letzten Reihe. 

 

Frau Eckler ließ sich zusammen mit ihren Töchtern am 28. April 1931 evangelisch taufen (Kontakt zur Jerusalem-Gemeinde in Harnburg hatte sie erst ab 1949). Warum diese Taufe?

Hofften sie damals schon, als "Christen" den Verfolgungen der Nationalsozialisten zu entgehen?

Grund zur Besorgnis gab es bereits: 1925 - Adolf Hitler gründete die NSDAP neu und die SS (nationalsozialistische Schutzstaffel), "Mein Kampf" erschien. 1929 - Weltwirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit begünstigten Mitgliederzuwachs und Hitlers Aufstieg, so dass bei den Reichstagswahlen 1932 die NSDAP stärkste Partei wurde.

Die Juden in Harnburg spürten die wachsende Bedrohung. In der Dokumentation "Identität und Assimilation, Hamburgs Juden in der Weimarer Republik", werden Fälle von antisemitischen Übergriffen im Jahr 1930 beschrieben: Es werden Läden mit antisemitischen Hetzschriften beklebt, Ladeninhaber werden bedroht, vereinzelt kommt es zu Überfällen, ernsthafte Störungen des Synagogenbesuchs werden befürchtet, von einer Pogromgefahr wird bereits gesprochen.

Frau Eckler befand sich mit ihren Töchtern in schwierigen finanziellen Verhältnissen, zu mal die Eheleute schon längere Zeit getrennt lebten. Sie ließen sich im Dezember 1931 scheiden.

Die Gründe, die vorgeschützten und die wahren, sind schwer zu beurteilen. Am 22. März 1932 heiratete Frau Eckler den "Arier" Ernst Graumann. Auch die Töchter Herta und Lilly heirateten nichtjüdische Männer. Da Kinder geboren wurden, galten die Ehen als "privilegierte Mischehen" und die Schwestern waren dadurch im Dritten Reich vor Verfolgung relativ geschützt. Sie überlebten.

Zu Irma Ecklers Fotoalbum


Wie es Irma Eckler und August Landmesser weiter erging...