Tagungen zum Thema

»Rechtsextremismus im Internet«


 

Paris 2001 - An einen Tisch gebracht| Während der Pariser Fachtagung »Youth confronted with the threat of racism on the internet«  am 22. und 23. Juni 2001 gelang es der »Ecole Européenne des Droits de l'Homme« der »Ligue Internationale Contre le Racisme et l'Antisémitisme« (LICRA) erstmals, in den Räumen der UNESCO VertreterInnen von internationalen IT-Unternehmen, aus Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, Stiftungen und Wissenschaft an einem Tisch zusammenzubringen, um nach neuen Formen der Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen und rassistischen Inhalten im Internet zu suchen. Die Unterstützung der Tagung durch Microsoft und die Teilnahme weiterer bedeutender Unternehmen dürfte als Beleg für das in den letzten Jahren gewachsene Problembewusstsein im Wirtschaftssektor gelten. Marc Weitzman vom Simon-Wiesenthal-Center und die deutschen Journalisten Barbara Kernbach und Rainer Fromm führten in die Problematik ein und stellten rechtsextremistische Webinhalte und Strukturen und Tendenzen ihrer Verbreitung vor. In seinem anschließenden Vortrag beschäftigte sich FAS-Leiter Matthias Heyl mit den Herausforderungen für die pädagogische Auseinandersetzung. Der Hamburger Journalist Joachim Wehnelt (»Die Woche«) stellte das Medienportal »Web gegen Rechts« vor. Am zweiten Tag der Konferenz standen drei konkrete Webprojekte im Mittelpunkt der Präsentationen: das Programm der  »Anti-Defamation League« (Jordan Kessler), die antirassistische Website »Britkid« von Chris Gane und die Idee eine »Youth protection without censorship« des »ICRA-Systems«, das auf der Selbstklassifizierung durch die Webanbieter, der Einschätzung von dem User als vertrauenswürdig erscheinenden Organisationen und optionalen Filterungswünschen der NutzerInnen beruht (Malte Böckler, Bertelsmann-Stiftung). In intensiven Arbeitsgruppen zu den Themen »Education against racism on the internet« (unter Leitung von Edouard Matoko, Chief der Peace, Human Rights and Democracy Education Division der UNESCO), »Compagnies in the fight against racism on the internet« (Richard Billson, Microsoft) und »political strategies in the fight against racism on the internet« (David Matas, B'nai Brith Canada)  wurden konkrete Formen der Auseinandersetzung gesucht und diskutiert. In allen Arbeitsgruppen wurde -  was für die FAS von besonderer Bedeutung ist - die Bedeutung der Erziehung hervorgehoben. Von Unternehmensseite wurde die Idee von Fortbildungsseminaren zu rassistischen Inhalten im Internet für das Management ebenso aufgegriffen wir die eines freiwilligen »Internet Code of Conduct Against Intolerance«. Die pädagogische Arbeitsgruppe kam zu dem Schluss, dass es einer CD-ROM mit Anbindung an eine Website für die Weiterbildung von LehrerInnen bedürfe, aus der die LehrerInnen erfahren, wie sich das Internet zur antirassistischen Erziehung einsetzen lässt und welche Möglichkeiten es zu einer produktiven Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen und rassistischen Inhalten gibt. Als Kerngruppe wird dieses Projekt von Alexandra Palt (LICRA) und Matthias Heyl (FAS) weiterverfolgt. Mehr dazu nach Publikation des LICRA-Berichts mit den entsprechenden Links auf die Seite der LICRA. 

Stockholm 2001| Neue Impulse für die Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen Hate-Sites im Internet durch »Stockholm International Forum: Combating Intolerance« Am 29. und 30. Januar 2001 fand in der schwedischen Hauptstadt das zweitägige »Stockholm International Forum: Combating Intolerance« statt. Auf Einladung des schwedischen Ministerpräsidenten Göran Persson diskutierten Politiker und Experten aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen über Formen der Bekämpfung des Rechtsextremismus. Einer der Tagungsschwerpunkte war die Auseinandersetzung mit der zunehmenden rechtsextremistischen Propaganda im Internet. Im Jahr 1999 zählte das Simon-Wiesenthal-Center weltweit etwa 1.400 »Hatesites« mit antisemitischen und rechtsextremen Inhalten. Der »Digital Hate Report 2001« dokumentiert sogar 3.000 derartige »Angebote« im Internet. Nach Expertenschätzungen gibt es allein mehr als 400 deutschsprachige Websites rechtsextremistischer Herkunft. »Die Woche« berichtete unter dem Titel »Macht der Maus«, wie »ein Aufstand der Vernetzten« - darunter die Hamburger Forschungs- und Arbeitsstelle (FAS) »Erziehung nach/über Auschwitz« - »erstmals eine rechtsradikale Hass-Site« deutscher Herkunft stoppte, die auf einem amerikanischen Server des Webhosters »freespeech.org« geparkt war. Gegenüber der »Woche« zeigte sich Gert Lange, Sprecher des Bundesamtes für Verfassungsschutz, jedoch skeptisch, ob zukünftig eine internationale rechtliche Angleichung möglich sei, die eine länderübergreifende juristische Verfolgung von rechtsextremistischen Webanbietern ermöglichen würde. [Woche-Artikel als pdf-Datei] Länderübergreifend möglich scheint jedoch die von den Regierungen der Teilnehmerländer des Stockholmer Forums und den dort anwesenden Experten – auch darunter die Hamburger FAS vertreten – angeregte und unterstützte Formulierung eines Provider-Codex gegen rechte »Hate-Sites«. Insofern setzt das zehn Punkte umfassende Schlusskommunique des »Stockholm International Forum: Combating Intolerance«, einen neuen Akzent. Unter 7. heißt es dort, dass die Teilnehmer des Forums, darunter auch eine amerikanische Regierungsdelegation, die internationale Kooperation zur Formulierung eines freiwilligen »Internet Code of Conduct Against Intolerance« unter Beteiligung von Providern aus allen Teilnehmerländern unterstützten. Gleichzeitig nehmen die Teilnehmerstaaten gesetzgeberische Schritte in einzelnen Ländern zur Kenntnis, die der Einschränkung der Verbreitung solcher Hate-Sites dienen. [Im englischen Original des Schlusskommuniques heißt es: »7. We underline the positive contribution that the Internet can have in combating intolerance. However, we are concerned by its use in the service of the promoters of intolerance. We support international cooperation in the establishment of a voluntary Internet Code of Conduct Against Intolerance and will encourage participation by Internet providers in our countries. In the code’s development, we urge Internet providers to draw on recommendations of the networks formed here. We take note of legal instruments restricting the use of the Internet to spread messages of intolerance being considered in a number of countries.« - vgl. Dokumentation unter www.stockholmforum.gov.se] Dass diese Initiative von schwedischer Seite ausging und auch von den USA unterstützt wird, ist ebenfalls von einiger Bedeutung, da eine Vielzahl von gerade deutschen rechtsextremistischen Sites vor dem Hintergrund des Strafverfolgungsdrucks und des entschlossenen Handelns deutscher Provider und Webhoster auf skandinavische und amerikanische Server ausgewichen sind. Schlupflöcher werden, so der Leiter Hamburger Forschungs- und Arbeitsstelle (FAS) »Erziehung nach/über Auschwitz«, Matthias Heyl, auch bei einer konsequenten Beteiligung der Provider in den über 50 Teilnehmerländern des Stockholmer Forums bleiben. »Das Problem rechtsextremistischer Propaganda im Internet wird uns weiter beschäftigen«, so Heyl, »deshalb müssen wir insbesondere die Lehrerinnen und Lehrer für die Auseinandersetzung „fit" machen«. Die FAS plant die Konzeption einer CD-ROM zum Thema »Rechtsextremismus im Internet« für Multiplikatoren in der Jugendarbeit. Wer im Internet surft, ist von solchen »Angeboten« immer nur wenige Mausklicks entfernt. Für dieses Projekt sucht die FAS dringend Sponsoren und Kooperationspartner.