Archiv der Pressemeldungen und Presseinformationen der FAS

bis 2002


FAS in Pressemeldungen

Die FAS brauchte Unterstützung - auch medial. Aus einer Reihe von Zeitungsbeiträgen können Sie sich ein Bild von unserer Arbeit machen (auch, wenn die Darstellungen sich nicht immer 100%ig mit den Aussagen der FAS treffen). Allerdings dürften einige Links nicht mehr aktuell sein - die hier angezeigten beziehen sich auf den Stand des Jahres 2002.


taz (20.08.2001)


Hamburger Abendblatt 
(6.06 2001)

Die Woche
(2.02.2001 PDF)
 
(22.03.2001 PDF)
(22.03.2001 HTML)


taz Hamburg
(17.01.2001)


Potsdamer Neueste Nachrichten
(5.01.2001)


Berliner Tagesspiegel
(4.01.2001)


Süddeutschen Zeitung
(13.12.2000)


taz
mag
(4.11.2000)


Wissenschaftsmagazin Logo /
NDR 4 (29.12.2000)


Deutsche Welle
(27.01.2000)

Pressedokumentation aktueller Artikel als pdf-Datei

Rechtsextremistische Seiten kurz nach Bekanntmachung offline | Hier einige Medienberichte zu kleinen Erfolgen unserer Arbeit:     

 

Rechtsextremismus@aol.com | Besondere Medienaufmerksamkeit erhielt unsere Meldung zu rechtsextremistischen Mitgliederprofilen beim Onlinedienst »America Online« - sogar in den USA. Aber schauen Sie selbst - hier eine Auswahl von Berichten:

 

FAS-Presseinformationen

Hier finden Sie ausgewählte Presseinformationen der FAS nach Datum ihrer Freigabe geordnet. Die aktuelleren Pressemitteilungen stehen zuoberst. 


Übersicht

FAS in den Medien. Hier finden Sie Links zu einer Auswahl von Medienberichten über die Arbeit der FAS. 

 

 


Presseinfo vom 21.5.2001

Info: Gesellschaft

Hamburger Forschungsstelle zieht nach drei Jahren Zwischenbilanz

Hamburg (FAS) 21. Mai 2001 * Vor drei Jahren, am 20. Mai 1998, wurde in Hamburg die Forschungs- und Arbeitsstelle (FAS) »Erziehung nach/über Auschwitz« gegründet.

Die Einrichtung, die von dem Verein SterniPark e.V. (bekannt durch die Aktion »Findelbaby« / »Babyklappe«) getragen wird, hat in den drei Jahren seit ihrer Gründung einiges Renommee – weit über Hamburg und die Landesgrenzen hinaus – erworben. 1998 wurde sie als erste deutsche Einrichtung von der »Association of Holocaust Organizations« aufgenommen, in der mehr als 200 Institutionen (darunter auch das US Holocaust Memorial Museum und die Gedenk- und Forschungsstätte Yad Vashem) organisiert sind. Im selben Jahr richtete sie eine internationale Tagung für HistorikerInnen und PädagogInnen unter Schirmherrschaft des damaligen Präsidenten des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis, zum 60. Jahrestag des Novemberpogroms in Lübeck aus. Erstmals nahmen etwa 150 SchülerInnen an einer solchen Fachtagung teil. Seit 1999 berät die FAS das Auswärtige Amt im Rahmen der deutschen Beteiligung an der zwischenstaatlichen »Task Force for International Cooperation on Holocaust Research, Education and Remembrance«. Auf Einladung ihres Initiators, des schwedischen Ministerpräsidenten Göran Persson, war die FAS auch im Januar 2000 beim »Stockholm International Forum on the Holocaust« und beim diesjährigen »Stockholm International Forum: Combating Intolerance« vertreten. Im Juni 2001 übernimmt die FAS eine wichtige Rolle bei einer internationalen Fachtagung zum Thema »Rechtsextremismus im Internet«, die – unterstützt von Microsoft – in Paris stattfinden wird.

2001 ist die CD-ROM »Erinnern für Gegenwart und Zukunft – Überlebende des Holocaust berichten« erschienen, die von der von dem Regisseur Steven Spielberg ins Leben gerufenen »Survivors of the Shoah Visual History Foundation« in Auftrag gegeben wurde. Für die Konzeption dieser von der Kritik allseits gelobten CD-ROM hatte der Leiter der FAS, der Historiker und Erziehungswissenschaftler Dr. Matthias Heyl die pädagogische Leitung übernommen.

Zur alltäglichen Arbeit gehören Lehrerfortbildungen und Seminare, die bundesweit (zwischen Kiel und Augsburg, Meißen und Aachen) wie international (zwischen Uppsala, Amsterdam und Budapest) nachgefragt werden.

Die FAS sucht nach neuen, innovativen Methoden der Vermittlung. Ein besonderer Schwerpunkt ist dabei der thematische Einsatz »neuer Medien«. Neben der Konzeption und Erstellung eigener Angebote (die Website der FAS zählte etwa jüngst den 13.000 Aufruf) steht das Problem »Rechtsextremismus im Internet« im Mittelpunkt. Hier versucht die FAS, LehrerInnen mit ihrer aus der Beobachtung von etwa 400 deutschsprachigen rechtsextremistischen Websites erworbenen Kompetenz für die pädagogische Auseinandersetzung »fit zu machen«. Ihr Engagement hat der FAS u.a. einen Platz auf einer Liste der »Feinde des Reiches« auf einer rechtsextremistischen Website und einige offene antisemitische Schmähungen eingetragen.

Die FAS hat mit ihrem Leiter einen – im doppelten Wortsinn – vollbeschäftigten Angestellten und eine Reihe ehrenamtlicher MitarbeiterInnen. Im Jahr 2000 ist es der FAS erstmals gelungen, ihren Etat nahezu vollständig durch ihre Arbeit »einzuspielen«.

Derzeit sucht die FAS dringend Sponsoren und Unterstützer in der Wirtschaft und Politik. »Auf die Dauer wäre unser Träger durch die alleinige Trägerschaft überfordert.« Von den nach Presseberichten täglich beim Wirtschaftsfonds zur Entschädigung der Zwangsarbeiter anfallenden Zinsen in Höhe von 700.000 Mark könnte die FAS etwa vier Jahre auf jetzigem Niveau weiterarbeiten oder ihr auf drei Jahre befristetes Forschungsprojekt zur pädagogischen Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus und Holocaust an deutschen Schulen finanzieren. Im Jahre 2002 soll durch ein von einer Hamburger Stiftung finanziertes Stipendium ein slowakischer Wissenschaftler erstmals mit einer einjährigen »FAS Fellowship« ausgestattet werden.

»Bei der öffentlichen und gesellschaftlichen Bedeutung, die der Arbeit der FAS zukommt«, so Kuratoriumsmitglied Gabriela Fenyes, »ist es eigentlich unverständlich, dass diese engagierte und kompetente Einrichtung bislang auf öffentliche Zuwendungen verzichten muss.«

»Wer den Vorwurf erhebt, eine >Holocaust-Industrie< habe sich des Themas bemächtigt«, spitzt Heyl zu, »sollte sich unsere schwierigen Arbeitsbedingungen anschauen.« Die tun dem Engagement zwar keinen Abbruch - »erschweren die schon thematisch nicht ganz einfache Arbeit aber unnötig«.


Presseinfo vom 21.5.2001

Info: Gesellschaft

»Johannes Emil Rabe verbreitete Antisemitismus« - FAS regt Umbenennung des Johannes-Rabe-Stieg in Hamburg-Lohbrügge an.

Hamburg (FAS) 21. Mai 2001 * Im Jahre 1949 wurde in Hamburg-Bergedorf der Johannes-Rabe-Stieg nach dem 1924 verstorbenen Heimatschriftsteller Johannes Emil Rabe benannt. Rabes Verdienst, der ihm dieses ehrende Gedächtnis eintrug, war die Wiederbelebung des »Kasper«-Spiels durch seine im Quickborn-Verlag veröffentlichten Sammlungen von »Kasperschwänken«.

Der Hamburger Forschungs- und Arbeitsstelle (FAS) »Erziehung nach/ über Auschwitz« sind jetzt zwei Bände Rabes zugänglich gemacht worden, die bereits während des Ersten Weltkriegs erschienen sind, und in denen der Autor in antisemitischen Passagen nach Einschätzung der FAS »eine kleine Pogromstimmung« entfachte.

§ In dem Band »Sünd ji all dor?« verhöhnt Kasper in der Episode »Kasper und Abraham« (S. 6-15) einen Juden, der Geld von Kasper zurückfordert [»Obrohom, du hest mi ’n komische Nees’ (zum Publikum:) Wenn de mit de Nees’ ut’n Finster kickt, lacht de ganze Judenbeurs.« »Jung, goh to Hus un puß de Schabbeslamp ut.«). Am Ende hat Kasper Abraham erschlagen, die Leiche wird unter Gesang – »Schmeißt’n raus, den Juden Itzig, Juden Itzig…« – beseitigt. Später taucht im selben Band eine weitere antisemitisch getönte Situationsbeschreibung noch einmal in der Szene »Konstabler. Jude, Kasper« (S. 48-51, hier: S.49) auf.

§ In »Vivat Putschenelle!« findet sich eine antisemitische Szene mit dem bezeichnenden Titel »Schmuhl« (S.23-26), in der Kasper »de ohle Smuhl« verprügelt, »de de arme Fro Mollern dat letzte Bett afpannt hett. Mutt doch mol sehn, ob ick em nich bi de Bücks kriegen kann.« Später singt Kasper wieder (diesmal sind die Noten beigefügt): »Schmeißt ihn raus, den Juden Itzig, Juden Itzig…« (S. 49)

Rabe zögerte anfangs, die »Kasperschwänke« zu Anfang des Ersten Weltkriegs »während einer so schweren Zeit, wie wir sie durchleben, erscheinen zu lassen. Unsere Bedenken wurden aber zerstreut durch die Wahrnehmung, dass unsere niederdeutschen Feldgrauen in ihren Mußestunden hinter der Front mit Hülfe selbstgefertigter Puppen aufs eifrigste Putschenelle spielen und dringend Texte verlangen. Es kann ihnen nun geholfen werden.« (»Sünd ji all dor?«, S.5) Für die zahlreichen jüdischen Soldaten in den Reihen der deutschen Armee dürften seine »Kasperschwänke«, in denen die Juden ein persifliertes Jiddisch sprechen und ganz im Stile antisemitischer Propaganda charakterisiert werden, kaum aufbauend und erheiternd gewesen sein – ganz im Gegenteil.

»Johannes Rabe hat mit diesen von ihm verantworteten >Schwänken< zur Verbreitung antisemitischer Klischees beigetragen«, so der Leiter der FAS, der Hamburger Historiker und Erziehungswissenschaftler Matthias Heyl. »Dass Rabe dies bereits im Ersten und nicht im Zweiten Weltkrieg getan hat, entlastet ihn nicht. Hier wurde der Judenmord gleichsam als Kinderspiel vorgeführt und eingeübt. Kaum mehr als zwanzig Jahre nach dem Erscheinen der Rabeschen Bücher wurde daraus in Deutschland blutiger Ernst. Leute wie Rabe gehören zu den Wegbereitern dieser Entwicklung.«

Die FAS setzt sich daher nachdrücklich für eine Umbenennung des Johannes-Rabe-Stiegs an. »Ein Anrecht auf eine Ehrung, wie sie mit einer Straßenbenennung verbunden ist, dürfte Rabe mit seinem hier gezeigten virulenten Antisemitismus verwirkt haben«, gibt Heyl zu bedenken.


Presseinfo, zum 2.2.2001

Info: Gesellschaft

Neue Impulse für die Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen Hate-Sites im Internet durch »Stockholm International Forum: Combating Intolerance«

Am 29. und 30. Januar 2001 fand in der schwedischen Hauptstadt das zweitägige »Stockholm International Forum: Combating Intolerance« statt. Auf Einladung des schwedischen Ministerpräsidenten Göran Persson diskutierten Politiker und Experten aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen über Formen der Bekämpfung des Rechtsextremismus.

Einer der Tagungsschwerpunkte war die Auseinandersetzung mit der zunehmenden rechtsextremistischen Propaganda im Internet. Im Jahr 1999 zählte das Simon-Wiesenthal-Center weltweit etwa 1.400 »Hatesites« mit antisemitischen und rechtsextremen Inhalten. Der »Digital Hate Report 2001« dokumentiert sogar 3.000 derartige »Angebote« im Internet. Nach Expertenschätzungen gibt es allein mehr als 400 deutschsprachige Websites rechtsextremistischer Herkunft.

»Die Woche« berichtet in ihrer heutigen Ausgabe unter dem Titel »Macht der Maus«, wie »ein Aufstand der Vernetzten« - darunter die Hamburger Forschungs- und Arbeitsstelle (FAS) »Erziehung nach/über Auschwitz« - »erstmals eine rechtsradikale Hass-Site« deutscher Herkunft stoppte, die auf einem amerikanischen Server des Webhosters »freespeech.org« geparkt war. Gegenüber der »Woche« zeigte sich Gert Lange, Sprecher des Bundesamtes für Verfassungsschutz, jedoch skeptisch, ob zukünftig eine internationale rechtliche Angleichung möglich sei, die eine länderübergreifende juristische Verfolgung von rechtsextremistischen Webanbietern ermöglichen würde. [Woche-Artikel als pdf-Datei]

Länderübergreifend möglich scheint jedoch die von den Regierungen der Teilnehmerländer des Stockholmer Forums und den dort anwesenden Experten – auch darunter die Hamburger FAS vertreten – angeregte und unterstützte Formulierung eines Provider-Codex gegen rechte »Hate-Sites«. Insofern setzt das zehn Punkte umfassende Schlusskommunique des »Stockholm International Forum: Combating Intolerance«, einen neuen Akzent. Unter 7. heißt es dort, dass die Teilnehmer des Forums, darunter auch eine amerikanische Regierungsdelegation, die internationale Kooperation zur Formulierung eines freiwilligen »Internet Code of Conduct Against Intolerance« unter Beteiligung von Providern aus allen Teilnehmerländern unterstützten. Gleichzeitig nehmen die Teilnehmerstaaten gesetzgeberische Schritte in einzelnen Ländern zur Kenntnis, die der Einschränkung der Verbreitung solcher Hate-Sites dienen.

[Im englischen Original heißt es: »7. We underline the positive contribution that the Internet can have in combating intolerance. However, we are concerned by its use in the service of the promoters of intolerance. We support international cooperation in the establishment of a voluntary Internet Code of Conduct Against Intolerance and will encourage participation by Internet providers in our countries. In the code’s development, we urge Internet providers to draw on recommendations of the networks formed here. We take note of legal instruments restricting the use of the Internet to spread messages of intolerance being considered in a number of countries.« - vgl. Dokumentation unter www.stockholmforum.gov.se]

Dass diese Initiative von schwedischer Seite ausging und auch von den USA unterstützt wird, ist ebenfalls von einiger Bedeutung, da eine Vielzahl von gerade deutschen rechtsextremistischen Sites vor dem Hintergrund des Strafverfolgungsdrucks und des entschlossenen Handelns deutscher Provider und Webhoster auf skandinavische und amerikanische Server ausgewichen sind.

Schlupflöcher werden, so der Leiter Hamburger Forschungs- und Arbeitsstelle (FAS) »Erziehung nach/über Auschwitz«, Matthias Heyl, auch bei einer konsequenten Beteiligung der Provider in den über 50 Teilnehmerländern des Stockholmer Forums bleiben. »Das Problem rechtsextremistischer Propaganda im Internet wird uns weiter beschäftigen«, so Heyl, »deshalb müssen wir insbesondere die Lehrerinnen und Lehrer für die Auseinandersetzung „fit" machen«. Die FAS plant die Konzeption einer CD-ROM zum Thema »Rechtsextremismus im Internet« für Multiplikatoren in der Jugendarbeit. »Wer im Internet surft, ist von solchen „Angeboten"«, so Heyl, »immer nur wenige Mausklicks entfernt.« Für dieses Projekt sucht die FAS dringend Sponsoren und Kooperationspartner. 


Presseinfo, zum 23.01.2001

Info: Gesellschaft

»Feinde des Reiches« - Rechtsextremisten prangerten »Vaterlandsverräter« im Internet an - erster uns bekannter Fall, das eine auf einem amerikanischen Server geparkte Website Deutscher Rechtsextremisten von dem amerikanischen Webhoster vom Netz genommen wird!

Am 12. Januar 2001 wurde die FAS von Andreas Eberhard von dem Verein »Gegen das Vergessen – Für Demokratie e.V.«, Berlin, darauf aufmerksam gemacht, dass es im Internet eine Website unter dem Titel »Neo Germania« gab, die unter dem Motto »Gesicht zeigen! – Vaterlandsverräter anprangern!« 29 deutsche Websites als »Feinde des Reiches« nannte, ergänzt um Domainname, Domaininhaber (mit Postanschrift) und eMail-Adresse. 

An die Besucher dieser Website erging die Aufforderung: »Was Ihr damit tun sollt?! – Nun ja… denkt Euch was aus – werdet kreativ!« 

Die Angaben zu den dort genannten Websites entstammten offenbar den Datenbanken der Vergabestelle Denic für Webdomains mit der Endung ».de«. Diese Datenbank ist im Internet frei zugänglich. 

Die Hamburger Forschungs- und Arbeitsstelle »Erziehung nach/über Auschwitz« wurde auf der Website von »Neo Germania« mit ihrem unter www.erziehung-nach-auschwitz.de zugänglichen Angebot an vierter Stelle genannt.

Zwischen zwei gespiegelten Totenschädeln (mit zwei hinter dem Schädel gekreuzten Knochen) wurden folgende Webadressen genannt: www.antirassismustag.de, www.drei-n.de, www.aktiv-gegen-rechts.de, www.erziehung-nach-auschwitz.de, www.gegen-vergessen.de, www.nazis-raus-aus-dem-internet.de, www.rechtegewalt.de, www.webgegenrechts.de, www.zivile.de, www.netzgegenrechts.de, www.antifa.de, www.buendnis-gegen-rechts.de, www.linksruck.de, www.vvn-bda.de, www.infolinks.de, www.linkeseite.de, www.der-rechte-rand.de, www.antifa-kw.de, www.saufen-gegen-rechts.de, www.antifa-unity.de, www.lag-antifa.de, www.jungewelt.de, www.pds-brandenburg.de, www.freitag.de, www.dkp.de, www.bnr.de, www.pds-prenzlberg.de, www.pds-literaturvertrieb.de und www.parlament-berlin.de

Für alle Adressen wurden Domainname, Domaininhaber (mit postalischer Adresse) und eMail - wie im DENIC-Katalog - genannt. Einem Webseitenbetreiber, dessen Privatdaten dort genannt wurden, hat die FAS angeboten, seine Website bei DENIC mit der Adresse der FAS umtragen zu lassen.               

Hintergrundinformation von dem Kollegen Matthias S.: Die Site wird in den USA gehostet, genauer gesagt in Los Gatos, Kalifornien. Die inhaltlich Verantwortlichen nutzen die Dienste des Gratis-Providers Namezero.com. "Namezero", wie so oft ein eigentlich vollkommen seriöser Provider, wurde schon zuvor für die deutsche Site der "Blood-and-Honour"-Skins genutzt. Ich vermute, diese Site stammt aus dem gleichen Umfeld. Sie wird wahrscheinlich von Deutschland aus gewartet. Das funktioniert genauso wie bei anderen Providern: per Login und Passwort. Bei weit über einer Million Kunden wissen die Betreiber wahrscheinlich gar nicht, was für Inhalte sie da hosten. Es ist in den USA so gut wie unmöglich, die Betreiber auf rechtlichem Wege zum Abschalten der Site zu zwingen, Dafür ist der Gewaltaufruf zu geschickt verdeckt. Aber vielleicht kann man an ihr Gewissen appellieren. Der CEO von "Namezero" heißt Daniel Hoffman.

Die – ansonsten überaus dürftige – rechtsextremistische Seite wurde von einem Server von freespeech.org aus in den USA betrieben. Der Webhoster hatte auf Nachfrage der Initiative »Gegen das Vergessen – Für Demokratie e.V.«, Berlin, eine Sperrung der Site in Aussicht gestellt, falls dort offen zu Gewalt aufgerufen würde. Inzwischen ist die Site vom Netz. Für wie lange, ist nicht zu sagen, da es ein Leichtes ist, ganze Websites im Nu umziehen zu lassen. 

Stellungnahme von Tom Burck, Leiter Customer Care 1&1 Puretec: »ich glaube nicht, dass sich freespeech.org hier auf etwas einlassen wird, in ihren Terms and Conditions findet man folgenden Absatz: "We define hate speech as that which expresses or promotes hatred among groups of people. For instance, racist, anti-Semitic, and homophobic speech is hate speech. Hate speech is legal. Although we strongly oppose hate speech, we will permit it on the freespeech.org site. We reserve the right to identify hate speech for what it is (including identifiers on the members page), and we expect to criticize and refute hate speech if it appears on the freespeech.org site. Needless to say, we will not publicize or promote hate speech posted by our members." An den Denic-Vergaberichtlinien wird sich auch nichts aendern lassen, wobei hier jedoch schon Einiges verbessert wurde und mit der Umstellung von den Ripe auf die Denic-Handles noch einiges verbessern wird. Ich werde jedoch die entsprechende Stelle bei der Polizei ueber diese Seite informieren, vielleicht koennen die Behoerden etwas erreichen. Ausserdem werde ich meine Kontakte zu namezero nutzen, um evt. eine Sperrung der domain http://www.Neo-Germania.org zu erreichen. Mehr kann ich leider nicht tun.«

Wir danken allen, die uns mit eMails, Anrufen und Faxen ihre Unterstützung zugesagt haben und Polizeistellen, Verfassungsschutz, Medien, Rechtsanwälte und Unternehmen der »new economy« eingeschaltet oder sich an den Webhoster dieser Site gewendet haben, um etwas zu bewegen.

Am 12. Januar haben wir die Seite noch gesehen - seit dem 13. Januar ist sie aufgrund massiven Drucks vom Netz! Die Site ist - vorerst - weg, das Problem bleibt bestehen. Wir behalten die Szene im Auge, und sie uns.

Der Leiter der FAS, Matthias Heyl: »Natürlich rechnet man bei einem Engagement zu diesem Themenfeld mit derlei Bedrohungen. Die Verfasser solcher Listen wollen einschüchtern. Das darf ihnen nicht gelingen. Andererseits ist zu überlegen, ob Privatpersonen, die mit ihrer Wohnanschrift im frei zugänglichen denic-Katalog eingetragen sind, und die in das Blickfeld der Rechtsextremisten geraten, nicht durch eine diskretere Form der Katalogveröffentlichung vor möglichen Bedrohungen geschützt werden können.« 

Stellungnahme von Dr. Klaus Herzig, Pressestelle der DENIC eG (Top Level Domain for Germany .de) Wiesenhüttenplatz 26, 60329 Frankfurt am Main, Tel. +49 (0)69/27235-274, Fax. +49 (0)69/27235-235: die Einflussmöglichkeiten der DENIC sind in diesem Fall leider sehr gering. Das ändert allerdings nichts daran, dass die Veröffentlichung auf der angesprochenen Website mit hoher Wahrscheinlichkeit datenschutzrechtlich unzulässig ist; die Betroffenen sollten sich daher an die Datenschutzbehörden wenden. Die Nennung der Daten in unserer whois-Abfrage ist dagegen aus Sicht der Datenschutzbeauftragten nicht zu beanstanden und aus rechtlichen und technischen Erwägungen notwendig. Ich bedauere sehr, Ihnen keine andere Antwort geben zu können. (eMail, 12.01.2001, 16:22)

Heyl weiter: »Ohne genaue Kenntnis des Umfelds einer solchen Site, ihrer Betreiber und der Reichweite der Site in einschlägigen Kreisen, wird man das mögliche Gefährdungspotential, das von ihr ausgeht, nicht abschätzen können.« Für die auf der Liste genannten Einrichtungen, so der Hamburger Erziehungswissenschaftler und Historiker, kann die Nennung als Ehrung gelten – »offenbar regt unser Engagement die Szene auf, das ist kein schlechtes Zeichen.«

Die FAS ruft auch weiterhin Persönlichkeiten und Initiativen auf, ebenfalls »Gesicht zu zeigen«: sie können sich per Fax (...) oder brieflich (...) bei der FAS melden – ihre Namen werden auf der Website der FAS unter dem Motto »Auch wir sind Feinde Eures Reiches« veröffentlicht.


Presseinfo, zum 27.1.2000

Info: Geschichte/Holocaust/

Geschichte/Holocaust/

Hamburger Forschungsstelle plant Forschungsprojekt zum Unterricht über den Holocaust

Hamburg (FAS) 21. Januar 2000 Gemeinsam mit den Bremer Hochschullehrern Prof. Dr. Thomas Leithäuser und Prof. Dr. Rolf Vogt vom Institut für Psychologie und Sozialforschung der Universität Bremen plant die Hamburger Forschungs- und Arbeitsstelle (FAS) »Erziehung nach/über Auschwitz« eine repräsentative Untersuchung zum Unterricht über die Geschichte des Nationalsozialismus und Holocaust an deutschen Schulen.

Es gibt bereits eine Reihe von Untersuchungen, die die Relevanz einer gründlichen Bestandsaufnahme hinsichtlich der pädagogischen Praxis belegen. Nach einer Forsa-Studie vom Sommer 1998 über die Kenntnisse deutscher Jugendlicher im Alter von 14 bis 18 Jahren [Die Woche, 3. Juli 1998] wussten 31% der 506 Befragten nicht, was Auschwitz-Birkenau war, 35% konnten das Ende des Zweiten Weltkriegs nicht nennen, 59% verbanden nichts mit dem Begriff »Reichskristallnacht«, 71% konnten die Zahl der ermordeten Juden nicht einmal ungefähr angeben, nur 13% hatten eine Vorstellung von den »Nürnberger Gesetzen« und 7% kannten den Inhalt der Beschlüsse der Wannseekonferenz. Immerhin die Hälfte der befragten Schülerinnen und Schüler bekundeten laut Forsa (sehr) großes (34%) bzw. eher großes (15%) Interesse am Thema, während die andere Hälfte ihr Interesse als eher gering (24%) bzw. (sehr) gering (26%) einstufte.

Drei Bundesländer erklärten damals, sie wollten – angeregt durch die Studie – weitere Bemühungen unternehmen, die Gründe für die Wissenslücken zu untersuchen. Nachfragen ergaben, dass es derzeit jedoch keine konkreten Planungen dafür gibt.

Am 4. November 1998 berichtete dpa unter der Überschrift »Jeder fünfte deutsche Jugendliche weiß nichts über Auschwitz« [dpa 041617 Nov 98] über eine Studie des Instituts für Massenkommunikation in Köln, die der Soziologe Alphons Silbermann gemeinsam mit dem Juristen und Pädagogen Manfred Stoffers vorgelegt hat. Für Aufsehen sorgte die dort getroffene Feststellung, jeder fünfte deutsche Jugendliche im Alter zwischen 14 und 17 Jahren könne mit dem Begriff »Auschwitz« nichts anfangen. dpa meldete: »Insgesamt drei Millionen Deutsche im Alter ab 14 Jahren haben noch nie etwas über das berüchtigte Vernichtungslager der Nazis in Polen gehört.« Alphons Silbermann stellte der dpa-Meldung zufolge fest, dass es »ein ungeheueres pädagogisches Nachholbedürfnis« gebe, und Michel Friedman, Mitglied des Präsidiums im Zentralrat der Juden in Deutschland und heutiger Vizepräsident des Zentralrats, forderte eine Aufklärungsoffensive. [Silbermann / Stoffers: Auschwitz: Nie davon gehört? - Erinnern und Vergessen in Deutschland, Berlin (Rowohlt Berlin) 2000]

Der Leiter der Hamburger Forschungs- und Arbeitsstelle (FAS) »Erziehung nach/über Auschwitz«, Dr. Matthias Heyl (34), warnt jedoch vor vorschnellen Interpretationen. »Die Aussagen über die 14- bis 17-jährigen Jugendlichen«, gibt der Historiker und Erziehungswissenschaftler zu Bedenken, »basieren auf einer Gruppe von 88 Befragten - wenn Sie so wollen, drei Schulklassen. Die 21,9%, die keine Vorstellung von Auschwitz hatten, schrumpfen da auf eine Zahl von 19,272 Jugendliche zusammen.« Selbst die Forsa-Studie mit 506 befragten Jugendlichen weist bereits in den Fragestellungen Probleme auf - ein Beispiel: »Wenn man fragt: ›Wie viele Millionen Juden starben in Konzentrationslagern?‹ und Angaben zwischen fünf und sieben Millionen als richtig bewertet, lässt man außer Acht, dass ›nur‹ etwa die Hälfte der sechs Millionen ermordeten Juden in den Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordet wurde«, gibt Heyl zu Bedenken, »während die anderen in den Ghettos, bei Massenerschießungen in ihren Heimatdörfern oder andernorts ermordet wurden.«

Den drei Wissenschaftlern geht es nicht um Schuldzuweisungen, Lehrerschelte oder darum, die pädagogische Praxis verdachtsbetont unter die Lupe zu nehmen. »Eines unserer Ziele ist es, die an den Schulen vorhandene Expertise zu sichern«, so der Sozialpsychologe Thomas Leithäuser (60). Angesichts eines an vielen deutschen Schulen bevorstehenden Generationenwechsels gelte es, die bewährten Konzepte im pädagogischen Umgang mit diesem Thema für künftige Generationen zu sichern. Gleichzeitig ist den Wissenschaftlern, die selber unterschiedlichen Generationen angehören, bewusst, dass jede Generation wieder neue Fragen an die Geschichte stellt.

»Wir wissen viel zu wenig«, so Heyl, »inwiefern Erwartungen und Erfahrungen von Lehrern und Schülern zu diesem Themenkomplex auseinanderliegen.« Für Angehörige der »Zweiten Generation nach Auschwitz« sei es oft genug noch ein familiär sehr gegenwärtiges Problem, sich über Schuld, Mitschuld oder Bezüge der eigenen Eltern zum Verfolgungs- und Mordgeschehen Gedanken zu machen. »In der Enkel- und Urenkelgeneration verändern sich die Perspektiven - so nimmt man an - aber in welche Richtung?« Hier fehlen empirisch gesicherte Erkenntnisse.

Erste Vorstellungen des auf drei Jahre veranschlagten Projektes, das Unterrichtshospitationen, Fragebogenuntersuchungen und Interviews mit Lehrern, Schülern und Eltern vorsieht, sind in den angesprochenen Bundesländern auf positive Resonanz gestoßen. Auch Staatsminister Dr. Michael Naumann und das Auswärtige Amt befürworten die Studie.

Ein wichtiger Impuls für das Forschungsvorhaben ist von dem »Stockholm International Forum on the Holocaust« (25.-27. Januar 2000) zu erwarten. Die schwedische Regierung hatte 1998 - aufgeschreckt durch die Ergebnisse einer Befragung schwedischer Jugendlicher - eine internationale Kooperation zur Verbesserung der pädagogischen Aufklärung über den Holocaust auf den Weg gebracht. Heute gehören neun Staaten - Schweden, die USA, Großbritannien, Israel, die Niederlande, Deutschland, Frankreich, Italien und Polen - der im Mai 1998 auf schwedische Initiative hin ins Leben gerufenen »Task Force for International Cooperation on Holocaust Education, Remembrance and Research« an.

Während des »Stockholm International Forum on the Holocaust« werden Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer und weiterer an einer Aufnahme interessierter Staaten in der schwedischen Hauptstadt mit Wissenschaftlern zusammentreffen, um über die Zukunft der Aufklärung über den Holocaust zu beraten. Die deutsche Delegation wird von Bundeskanzler Gerhard Schröder, Staatsminister Dr. Michael Naumann und dem amtierenden Präsidenten der Kultusministerkonferenz (KMK), dem Bremer Bildungssenator Willi Lemke, angeführt.

Die Forschungs- und Arbeitsstelle (FAS) »Erziehung nach/über Auschwitz«, die einem Beratergremium des Auswärtigen Amtes angehört, wird auf Einladung des schwedischen Ministerpräsidenten bei dieser Tagung vertreten sein.

»In vielen Ländern stellt sich heute die Frage«»In vielen Ländern stellt sich heute die Frage«, so Matthias Heyl, »wie wir heutige Jugendliche am besten erreichen, um die Erinnerung an die Geschichte des Holocaust wach zu halten.« Mit schwedischen, niederländischen und britischen Kollegen sei man im Gespräch, das Projekt in einem Forschungsverbund zu realisieren.

Daran, dass nun auch in absehbarer die Hürde der Finanzierung des Forschungsvorhabens genommen wird, hat Heyl keine Zweifel: »Die Verantwortlichen in den Kultusministerien, mit denen wir bereits gesprochen haben, haben deutlich gemacht, dass es ihnen mit dem Wort von den ›Lehren aus der Geschichte‹ ernst ist.« Für jedes beteiligte Bundesland fielen insgesamt auf drei Jahre verteilt etwa 165.000 DM an. Da die Ergebnisse der Studie für die Gestaltung von Unterrichtsmaterialien und Lehrplänen ebenso wichtig seien wie für die Lehreraus- und -fortbildung, sei dies, so Thomas Leithäuser, ein vergleichsweise geringer Betrag, zumal »angesichts der Bedeutung, die diesem Thema und seinem historischen Anlass zukommt.«

Ermutigend sind sicherlich auch die überaus positiven Reaktionen von Seiten des israelischen Historikers Prof. Dr. Yehuda Bauer, der die »Task Force« berät, und von dem niederländischen Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Ido Abram, der von 1990 bis 1998 den ersten und einzigen europäischen Lehrstuhl für »Holocaust Education« inne hatte. »In vielen Ländern stellt sich heute die Frage«, so Matthias Heyl, »wie wir heutige Jugendliche am besten erreichen, um die Erinnerung an die Geschichte des Holocaust wach zu halten.« Mit schwedischen, niederländischen und britischen Kollegen sei man im Gespräch, das Projekt in einem Forschungsverbund zu realisieren.

Daran, dass nun auch in absehbarer die Hürde der Finanzierung des Forschungsvorhabens genommen wird, hat Heyl keine Zweifel: »Die Verantwortlichen in den Kultusministerien, mit denen wir bereits gesprochen haben, haben deutlich gemacht, dass es ihnen mit dem Wort von den ›Lehren aus der Geschichte‹ ernst ist.« Für jedes beteiligte Bundesland fielen insgesamt auf drei Jahre verteilt etwa 165.000 DM an. Da die Ergebnisse der Studie für die Gestaltung von Unterrichtsmaterialien und Lehrplänen ebenso wichtig seien wie für die Lehreraus- und -fortbildung, sei dies, so Thomas Leithäuser, ein vergleichsweise geringer Betrag, zumal »angesichts der Bedeutung, die diesem Thema und seinem historischen Anlass zukommt.«

Ermutigend sind sicherlich auch die überaus positiven Reaktionen von Seiten des israelischen Historikers Prof. Dr. Yehuda Bauer, der die »Task Force« berät, und von dem niederländischen Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Ido Abram, der von 1990 bis 1998 den ersten und einzigen europäischen Lehrstuhl für »Holocaust Education« inne hatte.


 Presseinfo, 14.5.1999

Info: Geschichte/Holocaust/

Geschichte/Holocaust/

Hamburger Forschungsstelle besteht seit einem Jahr. »Ein erfolgreicher Anfang und eine ungesicherte Zukunft«

Hamburg (FAS) 14. Mai 1999 Am 20. Mai 1999 ist der erste Jahrestag der Gründung der Hamburger Forschungs- und Arbeitsstelle (FAS) »Erziehung nach/über Auschwitz«.

Die Forschungs- und Arbeitsstelle (FAS) »Erziehung nach/über Auschwitz« hat im ersten Jahr ihres Bestehens viel geleistet. Ihr Leiter, der Hamburger Erziehungswissenschaftler und Historiker Dr. Matthias Heyl (34) spricht von einem »erfolgreichen Jahr«.

520 Interessierte - darunter etwa 150 Schülerinnen und Schüler - nahmen an der internationalen Tagung »Zeit des Erinnerns« teil, die die FAS zum 60. Jahrestag des Novemberpogroms im vergangenen Jahr unter der Schirmherrschaft von Ignatz Bubis in Lübeck veranstaltete. Die sechzig namhaften Wissenschaftler aus aller Welt, die der Einladung in die Hansestadt folgten, sprechen für das internationale Renommee, das sich die Einrichtung binnen kürzester Zeit erworben hat.

Die alltägliche Arbeit der FAS ist weniger spektakulär: jede Woche gehen zahlreiche Anfragen von Lehrerinnen und Lehrern ein, die Rat suchen, wie sie das Thema ihren Schülerinnen und Schülern vermitteln können. In Lehrerfortbildungen in Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen, Thüringen und Nordrhein-Westfalen stellte die FAS im vergangenen Jahr ihre Konzepte für die Unterrichtspraxis vor. Die große Resonanz zeigt, dass ein enormer Bedarf besteht, über Formen des historischen Lernens und Erinnerns neu nachzudenken. Das Modell der »Gesellschaft des Holocaust«, die dieser Arbeit zugrunde liegt, versucht, Täter, Opfer, Zuschauer, Retter und die Grauzonen dazwischen zu beleuchten, Menschen in ihren Entscheidungssituationen und -spielräumen zu zeigen und die Geschichte konkret zu machen.

Außerdem ist die FAS eine Anlaufstelle für den pädagogischen Nachwuchs geworden - auch dies mit bundesweiter Wirkung. Studierende und Referendare lassen sich bei der Themenwahl und Literatursuche für Examensarbeiten beraten.

Auch das Auswärtige Amt greift auf die Expertise der FAS zurück. Seit vergangenem Jahr beteiligt sich Deutschland an einer von dem schwedischen Ministerpräsidenten Göran Persson ins Leben gerufenen internationalen Initiative zur Verbreitung des Wissens über den Holocaust. An der »Task Force for International Cooperation on Holocaust Education, Remembrance, and Research« nehmen bislang Schweden, die USA, Großbritannien, Israel, Deutschland, Polen und die Niederlande teil. Die FAS gehört zur Beratergruppe des Auswärtigen Amtes, das die deutsche Beteiligung koordiniert.

Internationale Kooperationen bestimmen einen Teil der Arbeit der jungen Hamburger Einrichtung. Sie soll die pädagogische Begleitung einer in den Niederlanden konzipierten Ausstellung über die »Verarbeitung des Zweiten Weltkriegs in der Bildenden Kunst in den Niederlanden, Polen und Deutschland« auf deutscher Seite verantwortlich koordinieren, die im kommenden Jahr in Warschau, Nürnberg und den Niederlanden gezeigt werden wird. Außerdem ist sie mit einer bedeutenden amerikanischen Stiftung darüber im Gespräch, die Produktion einer deutschsprachigen CD-ROM mit Überlebenden-Interviews historisch und pädagogisch konzeptionell zu betreuen.

Der Einsatz neuer Medien ist der FAS vertraut. Sie hat ein eigenes Informationsangebot im Internet, das gerade den 1.900. Besucher seit Gründung der FAS gezählt hat. In den nächsten Wochen wird eine CD-ROM vorgestellt, die die FAS im Auftrag der Hamburger Schulbehörde entwickelt hat. Ihr Titel: »Vielleicht steht die Synagoge noch!« - Ein virtuelles Museum zur Geschichte der Harburger Juden«.

In kurzer Folge sind eine Reihe von Unterrichtsmaterialien und Publikationen erschienen - etwa eine Broschüre zum »Thema Holocaust im Internet« mit Diskette, eine Lehrerhandreichung unter dem Titel »Projekt >Jüdisches Leben<. Einführung in jüdische Kultur und Geschichte« und der Tagungsband »Der Holocaust - ein Thema für Kindergarten und Grundschule?« Außerdem vertreibt die FAS die Restexemplare des 1996 bei Rowohlt in 10.000 Exemplaren erschienenen und im Buchhandel bereits vergriffenen Bandes »Thema Holocaust. Ein Buch für die Schule«.

Wissenschaftlich will die FAS in Neuland vorstoßen. Matthias Heyl, der 1997 eine erste vergleichende Studie zum pädagogischen Umgang mit der Geschichte des Holocaust in Deutschland, den Niederlanden, Israel und den USA vorgelegt hat, hat mit den Bremer Professoren Thomas Leithäuser und Rolf Vogt ein Forschungsprojekt konzipiert, mit dem die Unterrichtspraxis untersucht werden soll. »Hier klafft eine Forschungslücke«, erklärt Heyl, »es gibt keine verlässlichen Untersuchungen darüber, was eigentlich hinter den Klassenzimmertüren zum Thema geschieht«.

Immer wieder beunruhigen Befragungen zum Kenntnisstand Jugendlicher über Nationalsozialismus und Holocaust die Öffentlichkeit - wie die von der Hamburger Wochenzeitung »Die Woche« in Auftrag gegebene Forsa-Untersuchung im Juli 1998 oder die im November 1998 von dem Kölner Soziologen Alphons Silbermann vorgestellte Studie, die deutliche Lücken im Wissen über diese Geschichte markierten. Ähnliche Ergebnisse bei der Befragung schwedischer Schüler waren der Anlass für die erwähnte Initiative Göran Perssons für eine internationale Kooperation auf dem Gebiet der »Holocaust Education«.

»Solche Befragungen lassen sich«, so Heyl, »wegen der fehlenden Kenntnisse über die Unterrichtspraxis schwer interpretieren. Liegen die Wissenslücken wirklich an einem >Zuwenig< im Unterricht, oder wirken sich ganz andere Faktoren aus?« Der Erziehungswissenschaftler nimmt insbesondere die Lehrer vor einer schnellen Verurteilung in Schutz. »Viele Lehrer leisten - gegen den 45-Minutentakt und übervolle Lehrpläne - eine sehr gute und engagierte Arbeit. Ziel müsste es sein, die besonders guten Beispiele als Anregung für die Unterrichtspraxis zu >bergen<. Mit vorschneller Lehrerschelte ist niemandem geholfen.«

Für die Untersuchung, deren Konzeption steht, werden insgesamt 800.000 bis 1.000.000 DM bei einer Laufzeit von drei Jahren benötigt, um drei bis vier Wissenschaftler darauf ansetzen zu können, in Hospitationen, Fragebogenuntersuchungen, Interviews und Gruppengesprächen die Unterrichtswirklichkeit zum Thema zu untersuchen und die Ergebnisse in Hinblick auf eine Qualitätssicherung im Unterricht auszuwerten. »Ein international bislang einzigartiges und wegweisendes Projekt«, erklärt Heyl, »das durchaus den Charakter einer Pilotstudie für ein internationales Projekt im Rahmen der >Task Force< erhalten könnte.«

Angesichts des vielfältigen Angebots und Engagements der FAS und der großen Resonanz ist um so bedauerlicher, dass die Zukunft der Einrichtung ungewiss ist. Die Einrichtung wird derzeit von dem Hamburger Verein SterniPark getragen, der sich als Träger mehrerer Kindergärten in Hamburg einen Namen gemacht hat. Während der Vorbereitung zu der Tagung »Der Holocaust - ein Thema für Kindergarten und Grundschule?« im Juni 1997 wurde den Organisatoren und dem Beirat dieser Veranstaltung deutlich, dass es einen großen Bedarf an Angeboten zur pädagogischen Arbeit zum Thema Holocaust gibt, der durch die bestehenden Einrichtungen allein nicht gedeckt werden könne.

SterniPark erklärte sich bereit, die Anschubfinanzierung für die von Matthias Heyl konzipierte Forschungs- und Arbeitsstelle (FAS) »Erziehung nach/über Auschwitz« zu übernehmen. Unmittelbar im Anschluss an die Tagung vom Juni 1997 übernahm der Verein die Personalkosten für einen wissenschaftlichen Angestellten und Sachausgaben, und stellt seit dem Frühjahr 1998 außerdem das Büro der FAS zur Verfügung.

Mit einem dauerhaften finanziellen Engagement wäre der Hamburger Verein überfordert. Er hat jedoch zusichern können, die Arbeit der FAS noch bis Ende diesen Jahres zu garantieren.

Zwar ist es der FAS gelungen, mit einem festangestellten Mitarbeiter und mehreren ehrenamtlichen Helfern im vergangenen Jahr etwa 45.000 DM durch Dienstleistungen und Spenden selber »einzuspielen«, wodurch zumindest die Sachkosten in vollem Umfang und ein Teil der laufenden Kosten gedeckt werden konnten. Da die FAS aber ohne kontinuierliche staatliche Hilfe auskommen muss und finanzstarke Sponsoren für ihre langfristige Arbeit noch nicht gefunden wurden, könnte dies bedeuten, dass die FAS im kommenden Jahr trotz überaus erfolgreich begonnener Arbeit ihre Türen wieder schließen muss.

Am ersten Jahrestag der Gründung der FAS tut die Einrichtung, was sie seit einem Jahr tut: sie setzt ihre Arbeit fort. Am 20.5.1999 um 19.30 Uhr findet eine Vortragsveranstaltung mit dem Psychoanalytiker Dr. Dierk Juelich im Hamburger Warburg-Haus, Heilwigstraße 116, unter dem Titel »Einen Täter zum Vater. Die Auseinandersetzung mit der Täterschaft der Väter in der >zweiten Generation<« statt. Diese Veranstaltung gehört zum Begleitprogramm der Ausstellung »Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944« des Hamburger Instituts für Sozialforschung, die vom 1. Juni bis 11. Juli 1999 in Hamburg gezeigt wird. Der Eintritt ist frei, Spenden zugunsten der FAS sind aber jederzeit erwünscht. (Bankverbindung: ...)

 


Presseinfo, 3.5.1999

Info: Geschichte/Holocaust/Denkmäler/

Geschichte/Holocaust/Denkmäler/

Hamburger Forschungsstelle appelliert an Abgeordnete des Bundestags

Hamburg (FAS) 3. Mai 1999 Der Bundestag berät am 7. Mai in erster Lesung über das geplante Berliner Holocaust-Mahnmal [dpa 281724 Apr 99], eine Entscheidung soll voraussichtlich am 25. Juni fallen [AFP 031831 Mai 99]. Aus diesem Anlass appelliert die Hamburger Forschungs- und Arbeitsstelle (FAS) »Erziehung nach/über Auschwitz« an die Abgeordneten, sich dem interfraktionellen Antrag einer Gruppe jüngerer Abgeordneter anzuschließen, die das Konzept eines »Hauses der Erinnerung« zur Ergänzung des Mahnmals unterstützen.

»Mit diesem Antrag«, so der Leiter der FAS; Dr. Matthias Heyl, »besteht die einmalige Chance, einen Ort der historischen Aufklärung auch für künftige Generationen zu schaffen.« Mahnen und Gedenken kämen, wo sie ernst gemeint sind, ohne historische Forschung, ohne Lernen und Erinnern nicht aus. Erinnern könnten die Nachgeborenen jedoch nur, was sie zuvor gelernt hätten.

»In Berlin sehen wir uns der Herausforderung gegenüber, an zentralem Ort das Zentrum der damaligen Gesellschaft in den Blickpunkt zu rücken: die Zuschauer«, erklärt der Hamburger Historiker und Erziehungswissenschaftler.

Der israelische Historiker Yehuda Bauer hat drei zentrale »Lehren aus der Vergangenheit« formuliert: »Sei kein Täter! Sei kein Opfer! Aber vor allem: sei (oder bleibe) kein Zuschauer!« Hier liege, so Heyl, ein enormer aufklärerischer Auftrag: »Wenn wir das ernst nehmen, müssen wir versuchen, die >Gesellschaft des Holocaust<, Täter, Opfer, Zuschauer, Retter und all jene dazwischen, in den Blick zu nehmen. Uns muss interessieren, wie aus Zuschauern einerseits Täter und andererseits - in geringerer Zahl - Retter wurden, und wie sich Menschen in ihrer Zuschauerschaft eingerichtet haben.«

Diese Perspektive sei und bleibe leider, wie etwa aktuelle Debatten um die Zuschauerschaft bei Menschenrechtsverletzungen im Kosovo oder anderswo zeigen, überaus aktuell.

Oft genug blieben die Zuschauer, die »schweigende Mehrheit«, in der Sicht auf den Holocaust unterbelichtet. Sie aber waren es, die mit ihrem Tun oder Nichttun die Maßstäbe dafür setzten, was dazu gehörte, Täter oder Helfer zu werden.

Die Gedenkstätten an den Orten ehemaliger KZs, so Heyl, wären mit der Aufgabe überfordert, die Zuschauer in den Mittelpunkt zu rücken. »Dort geht es vorrangig um die Geschichte der Täter und ihrer Opfer. Um die Geschichte der Zuschauer zu erforschen und zu erzählen, bedarf es eigener Orte.« Ein wichtiger Akzent wäre, wenn man sich entschlösse, einen solchen Ort im Zentrum der deutschen Gesellschaft - in ihrer Hauptstadt Berlin - zu schaffen.

»Es ist sicherlich kein Zufall«, meint der 34jährige, »dass die parlamentarische Initiative von jüngeren Abgeordneten ausgeht.« Die Nachgeborenen verlangten vielfach eher als die Erlebnisgeneration oder deren Kinder nach konkreten Formen der Auseinandersetzung, in denen einzelne Menschen erkennbar werden. Historische Erinnerung und historisches Gedenken ohne diese Konkretion würde schnell hohl. Gerade um Jugendliche auch künftig für die Auseinandersetzung zu gewinnen, müssten Lernorte und -anlässe geschaffen werden, die sie ansprechen und ihr Interesse wecken.

Die FAS unterstützt den von Staatsminister Dr. Michael Naumann favorisierten modifizierten Entwurf des Architekten Peter Eisenmann für das Berliner Holocaust-Mahnmal (»Eisenmann III«). Naumann hatte vorgeschlagen, eine Vernetzung bestehender Sammlungen von Dokumenten und die über 50.000 Videointerviews mit Überlebenden der von Stephen Spielberg ins Leben gerufenen »Survivors of the Shoah Visual History Foundation« im Berliner Mahnmalkomplex unterzubringen. Die FAS regt an, komplementäre Sammlungen von Dokumenten und Interviews nicht nur zu der Geschichte der Ermordeten, der Überlebenden und der Täter dort zu etablieren, sondern auch aus dem Bereich der »Zuschauer«, »Mitläufer« und »Retter«.

Die FAS hat den Bundestagsfraktionen ein eigenes Konzept zur Gestaltung des »Hauses der Erinnerung« zugeleitet, die Reaktionen darauf sind durchgängig positiv.

 


Presseinfo 31.3.1999, 17:00 Uhr 

Info: Bildung/Geschichte/Holocaust/Internet/

Bildung/Geschichte/Holocaust/Internet/

Thema Holocaust im Internet – Orientierungshilfe für LehrerInnen

Hamburg (FAS) – Die Hamburger Forschungs- und Arbeitsstelle (FAS) »Erziehung nach/über Auschwitz« hat eine 36-seitige Broschüre mit Diskette fertiggestellt, die interessierten LehrerInnen bei einer ersten Orientierung zur Nutzung des Internets zum Thema Holocaust helfen soll.

Der Text richtet sich nicht nur an »Internet-Freaks«, die mit dem Medium schon vertraut sind und sich zum Thema kundig machen wollen, sondern gerade an LehrerInnen der gesellschaftlichen Fächer (Geschichte, Politik, Gemeinschaftskunde, Religion und Ethik) und Sprachen (mit Schwerpunkt Deutsch und Englisch), bei denen die Zurückhaltung gegenüber Computern und Internet noch häufig relativ groß ist.

Neben einer Übersicht zu bestehenden thematischen Angeboten im World Wide Web (WWW) bietet das Heft gleich einige konkrete Projektideen für den Unterricht. Dabei werden auch Probleme wie der Umgang mit den Webangeboten der Holocaust-Leugner berührt.

Zwei der Projektideen, die vorgestellt werden, sind aus der Zusammenarbeit der FAS mit dem Hamburger Verein »Das Transatlantische Klassenzimmer« entstanden.

In dem einen sollen die SchülerInnen eine »guided tour« durch das Internet zum Thema Holocaust gestalten, Seiten suchen, sammeln, sichten und bewerten.

Das zweite setzt auf die Möglichkeit zur transatlantischen und interkulturellen Kommunikation per eMail. Mehrere Klassen sollen sich parallel mit dem Thema auseinandersetzen und über die Ergebnisse und Erfahrungen austauschen.

Die FAS will den Einsatz des Internets zu diesem Thema nicht als Patentrezept gegen Desinteresse unter SchülerInnen propagieren. Sie will lediglich Hinweise auf Projektformen geben, die herkömmliche und bewährte Zugänge im Idealfall erweitern und vertiefen können. Weder ein Gedenkstättenbesuch noch ein Internet-Projekt können einen vernünftigen und umfassenderen Unterricht über die Geschichte des Holocaust ersetzen, sie können ihn in der Regel nur ergänzen.

Da viele der Webangebote und Projekte den Gebrauch der englischen Sprache voraussetzen, lassen sich die Ideen besonders gut im fächerübergreifenden Unterricht verwirklichen.

Auf der beigefügten Diskette befinden sich alle in der Broschüre erwähnten »Links« und eine Reihe weiterer Informationen.

Das Heft dient einer ersten Orientierung und ist als erster Teil einer Loseblattsammlung gedacht. Die FAS plant, weitere vertiefende Beiträge in loser Folge herauszugeben. Dort sollen z.B. Erfahrungsberichte von LehrerInnen und SchülerInnen ebenso veröffentlicht werden wie praxisrelevante erziehungswissenschaftliche Beiträge zu methodischen und didaktischen Fragen.

...

 


 

Presseinfo 31.3.1999

Info: Geschichte/Holocaust/Denkmäler/

Geschichte/Holocaust/Denkmäler/

Hamburger Forschungsstelle unterstützt Naumann-Vorschlag

Hamburg (FAS) – Die Hamburger Forschungs- und Arbeitsstelle (FAS) »Erziehung nach/über Auschwitz« unterstützt den von Staatsminister Dr. Michael Naumann favorisierten modifizierten Entwurf des Architekten Peter Eisenmann für das Berliner Holocaust-Mahnmal. Sie hat eine Konzeption für ein »Haus der Erinnerung« entwickelt, wie es in dem unter dem Stichwort »Eisenmann III« diskutierten Mahnmalsentwurf enthalten ist.

Naumann hatte vorgeschlagen, eine Vernetzung bestehender Sammlungen von Dokumenten und die über 50.000 Video-Interviews mit Überlebenden der von Stephen Spielberg ins Leben gerufenen »Survivors of the Shoah Visual History Foundation« im Berliner Mahnmalkomplex unterzubringen.

Die FAS regt an, komplementäre Sammlungen von Dokumenten und Interviews nicht nur zu der Geschichte der Ermordeten, der Überlebenden und der Täter dort zu etablieren, sondern auch aus dem Bereich der »Zuschauer«, »Mitläufer« und »Retter«.

Dr. Naumann erklärte gestern in einer Veranstaltung der SPD in den Hamburger Kammerspielen, mit dem »Haus der Erinnerungen« könne ein »aufklärerischer Auftrag« verbunden werden.

Mit Naumann ist die FAS sich einig, dass einem von dem Berliner Theologen und SPD-Politiker Richard Schröder ins Gespräch gebrachten und von einigen Spitzenpolitikern favorisierten Mahnmal mit der hebräischen Inschrift »Nicht morden!« eine bittere Ironie innewohnen würde: Dieses Gebot müsse, so Naumann gestern im dichtbesetzten Theatersaal der Kammerspiele, nicht den Ermordeten gleichsam »hinterhergerufen« werden, sondern den Tätern und Zuschauern.

Die besondere aufklärerische Herausforderung an eine zentrale Einrichtung zur Erinnerung an die Geschichte des Holocaust in Berlin sei, so erklärte der Leiter der FAS, Dr. Matthias Heyl, heute, die Entscheidungen der »Zuschauer« in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken. »Sie waren es«, so der Hamburger Historiker und Erziehungswissenschaftler, »die durch ihr Tun und Nichttun das Milieu schufen, in dem das Morden möglich wurde«. Die aktuelle Diskussion um den NATO-Einsatz zur Rettung der Kosovo-Albaner zeige, wie aktuell die Fragen nach der Zuschauerschaft in Bezug auf die Verletzung von Menschenrechten auch heute noch seien.

»Den Ermordeten und den Überlebenden schulden wir Erinnerung«, formuliert Heyl weiter, »die ohne das historische Erinnern der Täter, Zuschauer, Retter und all derer dazwischen nur eine unvollständige wäre«. Das »Haus der Erinnerung« biete die einmalige Chance, einen Lern-, Forschungs- und Gedenkort zu schaffen.

Ähnliche Einrichtungen an zentralem Ort gibt es mit dem Washingtoner »US Holocaust Memorial Museum« und der israelischen Gedenk- und Forschungsstätte »Yad VeShem«. Beide sind Zentren der internationalen und interdisziplinären Forschung, die mit dem Stichwort »Holocaust Studies« verbunden ist. In Deutschland, so Heyl, fehle es an Interdisziplinarität in den Forschungsbemühungen, die in der Lage wäre, eine komplexere Perspektive auf das Geschehen zu entwickeln. »Entscheidende Impulse wären hier von dem ›Haus der Erinnerung‹ zu erwarten.«

Die FAS wirbt für ihren Vorschlag und hat ihn u.a. bereits am Rande der Verleihung der »Goldenen Kamera« an Stephen Spielberg dem Präsidenten der »Survivors of the Shoah Visual History Foundation«, Dr. Michael Berenbaum, vorgestellt. Überaus positive Reaktionen hat sie u.a. von einigen deutschen Spitzenpolitikern wie dem evangelischen Ratspräsidenten und CDU-Bundestagsabgeordneten Dr. Friedbert Pflüger und dessen Fraktionskollegen Dr. Norbert Lammert sowie aus dem Büro des Präsidentschaftskandidaten Johannes Rau erfahren.

Die derzeit von dem Hamburger Verein SterniPark e.V. getragene Einrichtung könnte mit ihren vielfältigen internationalen Kontakten und Projekten Teil des »Hauses der Erinnerung« werden.

Zur Konzeption

Hintergrundinformation: Die FAS wurde im Mai 1998 in Hamburg gegründet. In ihrem Kuratorium wirken u.a. die Hamburger Bischöfin Maria Jepsen, der Amsterdamer Professor für »Holocaust Education« Ido Abram, der amerikanische Historiker Christopher Browning (»Ganz normale Männer. Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die ›Endlösung‹ in Polen«), die israelische Pädagogin Miriam Gillis-Carlebach und der israelische Geschichtsprofessor Frank Stern mit. Zu den Unterstützern gehören u.a. der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, und der Hamburger Bundestagsabgeordnete Hans-Ulrich Klose.

Die noch junge Einrichtung wird derzeit von dem Hamburger Verein SterniPark e.V. finanziert. Sie sucht nach einer breiteren Trägerschaft, um ihre Existenz zu sichern und ihr Angebot künftig ausweiten zu können.

Mit einem festangestellten und mehreren ehrenamtlichen Mitarbeitern hat die FAS im ersten Jahr seit ihrer Gründung ein stolzes Programm vorzuweisen. In Zusammenarbeit mit der Hansestadt Lübeck veranstaltete sie eine internationale Tagung zum 60. Jahrestag des Novemberpogroms (9.-11.11.1998) in Lübeck, an der 60 renommierte Referenten (darunter Daniel Goldhagen und Vertreter der bedeutendsten amerikanischen, israelischen und europäischen Holocaust-Museen und Gedenkstätten) und 520 Interessierte teilnahmen, darunter etwa 150 Schülerinnen und Schüler.

Die FAS geht bei der Vermittlung des Themas neue Wege: Gerade hat sie eine CD-ROM zur Geschichte der Juden im Hamburger Stadtteil Harburg und eine Broschüre zum »Thema Holocaust im Internet« fertiggestellt, ein deutsch-amerikanisches eMail-Projekt im »Transatlantischen Klassenzimmer« gehört zu ihrem Angebot.

Das Informationsangebot der FAS im Internet, wo auch der vollständige Text des Konzeptvorschlags für das »Haus der Erinnerung« zu finden ist, wurde bereits von fast 1600 Interessierten besucht.

All dies realisiert die Forschungs- und Arbeitsstelle auf beengten zwölf Quadratmetern in ihrem Büro in einem früheren »Jüdischen Volksheim«, das von dem Verein SterniPark e.V. als Kinderhaus genutzt wird.

Die FAS bietet bundesweit Lehrerfortbildungen, Seminare, Projekte für die Schule und Unterrichtsmaterialien an und bemüht sich mit den Bremer Hochschullehrern Prof. Dr. Thomas Leithäuser und Prof. Dr. Rolf Vogt um die Realisierung einer empirischen Untersuchung der schulischen Auseinandersetzung mit den Themen Holocaust und Nationalsozialismus.

Ihr Leiter, der Hamburger Historiker und Erziehungswissenschaftler Dr. Matthias Heyl (Jg. 1965) ist Autor zahlreicher Publikationen zum Thema, darunter der gemeinsam mit Ido Abram verfasste Band »Thema Holocaust – ein Buch für die Schule«, der 1996 im Rowohlt Verlag erschienen ist (Auflage: 10.000; das Buch ist im Buchhandel bereits vergriffen, Restexemplare sind bei der FAS erhältlich). Außerdem ist er Verfasser einer ersten vergleichenden, 435-seitigen Studie zur Situation der »Erziehung über Auschwitz« in Deutschland, den Niederlanden, Israel und den USA.  

 


Presseinfo 24.3.1999, 17:00 Uhr 

Info: Geschichte/Holocaust/Denkmäler/

Geschichte/Holocaust/Denkmäler/

»Du sollst nicht morden!« - Falscher Akzent durch hebräische Inschrift - 

Hamburg, 24. März 1999 * Der im Januar des Jahres in der ZEIT unterbreitete Vorschlag, das Berliner Holocaust-Mahnmal mit der Inschrift »Du sollst nicht morden!« in hebräischer Sprache und in den Sprachen, die die Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung gesprochen haben, zu versehen, stößt laut jüngsten Presseberichten bei einer Reihe von Spitzenpolitikern auf Zustimmung. Hier eine Stellungnahme von Dr. Matthias Heyl, Leiter der Hamburger Forschungs- und Arbeitsstelle   »Erziehung nach/über Auschwitz«. Er ist mit dem niederländischen Hochschullehrer Prof. Dr. Ido Abram Autor des 1996 bei Rowohlt erschienenen Bandes »Thema Holocaust. Ein Buch für die Schule«, das in 10.000 Exemplaren erschienen und im Buchhandel bereits vergriffen ist.

Falscher Akzent

Durch den Vorschlag Richard Schröders wird gleich in mehrfacher Weise ein falscher Akzent gesetzt. An wen richtet sich das Berliner Mahnmal, und wer spricht durch es hindurch zu wem? Wenn es ein Mahnmal sein soll, das sich in besonderer Weise an die nichtjüdischen Deutschen richtet und der ermordeten Juden gedenken soll, erscheint eine hebräische Inschrift nicht sonderlich sinnvoll. Den Ermordeten muss man das Verbot zu morden nicht in Erinnerung rufen, eher doch den Verfolgern und Mördern als den Verfolgten und Ermordeten – aber auch dafür ist es in Hinblick auf den Holocaust zu spät. Das Verbot zu morden existierte bereits vor dem Holocaust, es hat ihn nicht verhindert. Wenn das »Nicht morden!« in Stein eingeschrieben werden soll, dann doch am ehesten in den Sprachen der damaligen Täter, denn das »Wiederholungsrisiko« liegt auf Seiten der Täter, nicht der Opfer.

In Berlin die »Zuschauer« in den Mittelpunkt rücken

Jeder Versuch, einen Ort des Gedenkens zu schaffen, an dem nicht die historisch konkrete Erinnerung im Mittelpunkt steht, ist eine vergebene Chance. Gedenken ohne Erinnerung ist nicht möglich, oder aber es wird zum hohlen Akt.

In Berlin gibt es die Chance, einen Ort zu schaffen, der als Erinnerungsort etwas leisten kann, was andere historische Orte bislang nicht leisten können. Während in den Gedenkstätten an den Orten der ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslagern die konkrete historische Erinnerung an Mörder und Gemordete, an Verfolger und Verfolgte wachgehalten wird, könnte im neuen politischen Zentrum der Bundesrepublik eine Perspektive entwickelt werden, die die Historiker seit längerem beschäftigt: die der Zuschauer, der »ganz normalen Deutschen«, die in der Zeit des Nationalsozialismus durch ihr Tun und Nichtstun zu einem Milieu beigetragen haben, in dem das Morden geschehen konnte. Wie haben sie sich zum anfänglichen Verfolgungs- und späteren Mordgeschehen verhalten? Wie konnten aus Zuschauern Täter werden? Aber auch: was brachte eine Minderheit unter ihnen dazu, den Verfolgten zu helfen?

Der israelische Historiker Yehuda Bauer nennt drei zentrale »Lehren« aus der Geschichte des Holocaust, die er in einem biblisch anmutenden Englisch formulierte:

»Thou shalt not be a perpetrator! Thou shalt not be a victim! But, above all, thou shalt not be a bystander!« [»Du sollst kein Täter sein! Du sollst kein Opfer sein! Vor allem aber: sei (oder bleibe) kein Zuschauer!«]

In diesen Worten liegt eine zentrale Herausforderung für die Erinnerungsarbeit in unserer Zeit und im deutschen Kontext. Einen Vorschlag, der eine »museale« (und eben gar nicht so museale) Umsetzung ermöglicht, hat die Forschungs- und Arbeitsstelle erarbeitet und einigen Spitzenpolitikern bereits vorgestellt – auch darauf sind die Reaktionen sehr positiv.

Gedenken setzt Trauer voraus, Trauer Liebe

Zum Schluss noch ein komplizierter Gedankengang, der mich darauf bringt, zu fragen, ob ein Gedenken für die ermordeten Juden den nichtjüdischen Deutschen überhaupt möglich ist:

Häufig ist das von Alexander und Margarethe Mitscherlich geprägte Wort der »Unfähigkeit zu trauern« missdeutet worden, als sei es den Psychoanalytikern dabei um die Unfähigkeit der Deutschen gegangen, um die ermordeten Juden zu trauern. In diesem Missverständnis (den beiden ging es um die fehlenden Trauerprozesse der Trägerschichten des Nationalsozialismus um ihre verlorene »Vaterfigur Hitler« und um daran verknüpfte Allmachtsphantasien, die eine Voraussetzung für eine glückende Ablösung davon hätten sein sollen) liegt aber auch eine tiefere Wahrheit: Die Psychoanalyse hat gezeigt, dass Trauer nur um eine Person oder ein Objekt möglich ist, das man geliebt hat. Die Trauer hat die Funktion, eine Distanz zu einem verlorenen geliebten Menschen oder Objekt herzustellen. Gedenken setzt Trauer voraus. Man versucht – etwa in Ritualen – dem Betrauerten wieder einen Platz im Leben einzuräumen. Wenn die Psychoanalyse recht hat, ist in diesem »Dreischritt« Gedenken nur für Menschen möglich, die man einmal geliebt hat. Ob die nichtjüdischen Deutschen die Juden vor dem Mord geliebt haben, ist nicht zuletzt durch den Mord mehr als fraglich. Eine posthume Liebe zu den Ermordeten wäre wohl auch eine fragwürdige Regung.

Den Opfern geschuldete Erinnerung

Was wir den Ermordeten auf jeden Fall schuldig sind, ist, uns ihrer und ihrer Mörder zu erinnern. Dafür braucht es zweierlei Erinnerung – die ehrende, vielleicht eine Art Gedenken, für die Ermordeten, und die historische Erinnerung an die Täter, denn sonst erschiene Auschwitz wie »Tat ohne Täter« (Monika Richarz).

Erinnern können wir nur, was wir selbst erlebt, erfahren oder gelernt haben. Für die Nachgeborenen setzt Erinnerung Lernen voraus.

Deshalb plädiert die FAS für eine Berliner Einrichtung, die das historisch konkrete Erinnern zum Gegenstand hat, in dem die Täter, Opfer, Zuschauer, Retter und Helfer ebenso erinnert werden wie die Grauzonen dazwischen. Mit der angedachten Etablierung etwa der von Stephen Spielberg ins Leben gerufenen Sammlung von Videoaufzeichnungen von Interviews mit Überlebenden in Berlin und komplementären Sammlungen, die die Geschichte der Täter, Retter und Zuschauer beleuchten, könnte in der deutschen Hauptstadt ein Ort entstehen, der uns und den Nachgeborenen helfen könnte, uns der Geschichte des Holocaust zu stellen, damit sie uns nicht stellt.

 


Die FAS hat im Dezember 1998 ein Exposé für einen "Gedenkort" in Berlin, der das Holocaust-Mahnmal ergänzen sollte, erstellt und an Staatsminister Dr. Michael Naumann, an den Bundestagspräsidenten, Wolfgang Thierse, an das Bundespräsidialamt und Abgeordnete verschiedener Bundestagsfraktionen geschickt. Die Reaktionen sind der Angesprochenen überaus positiv. 

 

 


Kurzdokumentation zur Formel »Jedem das Seine«

Burger King, Nokia, REWE, Microsoft… - Die Werbung und »Jedem das Seine«

Immer wieder wird unter dem Slogan »Jedem das Seine« geworben. In Thüringen warb die Hamburger-Kette Burger King im Frühjahr 1999 für ihre Produkte mit diesen Worten, die zumindest in der deutschen Sprache historisch belastet sind. Man sei sich dessen nicht bewusst gewesen, hieß es von der Firmenleitung - in dem Bundesland, in dem die KZ-Gedenkstätte Buchenwald liegt, dessen Eingangstor der Spruch »zierte«.

Dabei hätte man gewarnt sein können: Internationales Aufsehen erregte im Juni 1998 die Werbekampagne der finnischen Firma Nokia, die mit dem Slogan  für ihre neuen Handys mit auswechselbaren, verschiedenfarbigen Frontstücken warb.

Proteste wurden laut, die Nokia dazu brachten, die Kampagne abzubrechen. Durch die neuerliche Verwendung der Worte in einer Werbekampagne der Firma REWE für Grillzubehör im Juli 1998 und des Softwareherstellers Microsoft für Bürosoftware wurde noch einmal deutlich, dass es notwendig ist, die Bemühungen zur historischen Sensibilisierung zu verstärken, da »Jedem das Seine« im Deutschen ein – wie der »Stern« bemerkte – »Synonym für Massenmord« ist.

Auch andere werben weiterhin unter dem Motto: im Internet werden beispielsweise von einer österreichischen Firma »Jedem das Seine. Häuser mit Phantasie« angeboten, das Tiroler Landestheater wirbt für seine Abonnements (»…Jedem das Seine – Das bietet Ihnen ein Theaterabo…«), und selbst der Westdeutsche Rundfunk weist mit »Was Ihr wollt und jedem das Seine!« auf sein Musikangebot hin.

 

»Suum cuique« - »Jedem das Seine«

Das lateinische Wort »suum cuique« (deutsch: »Jedem das Seine«) geht auf den römischen Philosophen Cicero (106-43 v.u.Z.) zurück, lässt sich aber, wie Meadows erklärt, bereits auf den griechischen Philosophen Platon (428/427-348/347 v.u.Z.) zurückführen. An sich bezieht er sich auf einen Rechtsgrundsatz des römischen Rechtes, das den Ausgleich der Interessen einzelner in der Gesellschaft zum Ziele hatte. Ganz unschuldig kommt deshalb »Suum cuique« als Motto der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Kopenhagen daher.

Dieser Grundsatz beschäftigt neben der Rechtsphilosophie und Moraltheologie seit langem die Literatur, Musik und Kunst: Shakespeare etwa lässt Titus Andronicus diesen Satz sagen (I. Akt), und sowohl Eduard Mörike als auch Friedrich Nietzsche verwenden ihn in deutscher Übersetzung. Mörike hat ein Gedicht mit den Worten »Jedem das Seine« überschrieben. Auch eine Kantate Bachs trägt den Titel »Nur jedem das Seine« (BWV 163).

Das Wort hat es in Deutschland sogar gleich mehrfach zu »militärischen Ehren« gebracht: »Suum cuique« war die Inschrift des Schwarzen Adlerordens, der, 1701 gestiftet, der die höchste preußische Auszeichnung für Zivilisten und Militärs war, und die 1956 gegründete Schule für Feldjäger und Stabsdienst der deutschen Bundeswehr in Sonthofen hat sich die lateinische Formel, nicht ihre deutsche Übersetzung zum Motto erkoren.

Kein unschuldiges Wort mehr

In der deutschen Sprache hat die Übersetzung des »Suum cuique« »Jedem das Seine« durch die Verbrechen der Nazis einen zynischen Beiklang erhalten und gleichsam »seine Unschuld« verloren. Das Konzentrationslager

»Buchenwald war der Ort, an dem das Grauen in menschenverachtender und demütigender Weise seinen Ausdruck fand, eingeschmiedet in das Tor des Lagers: ›Jedem das Seine‹. Dieses zynische Motto mit seinem bösen, inhumanen Sinn sprach dem klassischen lateinischen Gerechtigkeitsideal eines ›suum cuique‹ (Cicero) Hohn.«

Zwischen Juli 1937 und März 1945

»durchliefen insgesamt 238.980 Häftlinge aus 30 Ländern Buchenwald und seine Nebenlager; davon wurden 43.045 ermordet oder kamen auf andere Weise ums Leben.«

Der Thüringer Ministerpräsident Bernhard Vogel nahm in seiner Ansprache zum fünfzigsten Jahrestag der Befreiung des Lagers diese Worte zum Anlass, zu fragen:

»Was konnte stärker die Würde des Menschen verletzen als dieser Satz an diesem Ort? Die Ideologie hatte die Würde des Menschen besiegt. Die Opfer von totaler Willkür, von unfassbarer und ungezügelter Unmenschlichkeit und von ideologischem Hass mahnen uns, niemals zu vergessen, dass das moralische Prinzip der Unverletzlichkeit der menschlichen Würde immer unser Handeln bestimmen muss.«

Das Wort war für die Häftlinge eine zynische Herausforderung. Der Buchenwald-Überlebende Jorge Semprun schrieb nach seiner Befreiung:

»Vor fünfundzwanzig Jahren hatte ich in Buchenwald manchmal geträumt, dass Goethe, unsterblich und olympisch, mit einem Wort goethisch, weiterhin auf dem Ettersberg spazierenging, in Begleitung von Eckermann, diesem distinguierten Trottel. Es hatte mir, nicht ohne eine gewisse intellektuelle Perversität, gefallen, die Gespräche zwischen Goethe und Eckermann auszumalen. Was hätte Goethe zum Beispiel an einem Dezembersonntag gesagt, wenn er auf seinem Spaziergang durch die Allee der Adler die in das riesige Eisentor des Lagers geschmiedete Inschrift entdeckt hätte: ›Jedem das Seine‹?«

»Jedem das Seine«, dieser »gleichmacherisch zynische Spruch« wurde in der Welt der Konzentrationslager zu einem »geflügelten Wort« und wurde sogar, wie Semprun später erfuhr, bis in die sowjetischen Lager des Gulagsystems weitergetragen.

Beiklang

»Jedem das Seine« hat also seinen Beiklang, der in rechtsextremistischen Kreisen mit eindeutiger Absicht Verwendung findet. Allerdings finden wir neben der eindeutig rechtsextremistischen, apologetischen und provokativen Verwendung auch weiterhin einen Gebrauch des Wortes, der sich der historisch-politischen Aufladung vielleicht nicht einmal bewusst ist.

Das Nebeneinander von beidem verdeutlichen zwei im Jahre 1996 erschienene Bücher, die das »Jedem das Seine« im Titel führten: das eine ein bilanzierendes Werk eines österreichischen Sozialdemokraten, das andere ein Roman des »Reinkarnationsexperten« Tom Hockemeyer, der unter dem Pseudonym Trutz Hardo einen Roman veröffentlicht hat,

»der sich unter dem Titel ›Jedem das Seine‹ mit Wiedergeburt und den ›Gesetzen des Karma‹ beschäftigt. Die mit Absicht als Titel gewählte Inschrift am Lagertor des KZ Buchenwald deutet auf den Inhalt des aufwendig hergestellten Machwerkes hin: Der millionenfache Mord an den Juden wird verklärt als ›karmischer Ausgleich‹ für Verfehlungen, deren diese sich in früheren Leben schuldig gemacht hätten. Der Holocaust, so Tom Hockemeyer, sei das ›Bestmögliche‹ gewesen, was den Juden habe zustoßen können, er habe ihr ›seelisch-spirituelles Wachstum‹ vorangetrieben.«

Wo historische Erinnerung (etwa bei den Überlebenden) oder historisches Bewusstsein und Sensibilität vorhanden sind, wird das Wort »Jedem das Seine« unweigerlich Assoziationen an den nationalsozialistischen Terror wachrufen. »Jedem das Seine« - kein Slogan jedenfalls, der in der deutschen Sprache für Werbung taugte. Welches Produkt wäre damit ins rechte Licht gerückt?